Delfine leiden in Gefangenschaft. Die hochintelligenten und selbstbewussten Tiere lassen sich nicht artgerecht in Gefangenschaft halten. Daher ist ein Umdenken im Umgang mit diesen Meeressäugern dringend gefordert.
E r zeigt Delfine in Freiheit, die bis zu hundert Kilometer pro Tag schwimmen. Und er zeigt die intelligenten Meeressäuger, wie sie in Gefangenschaft an Langeweile und Krankheit zugrunde gehen. Der Film Die Bucht. Vor drei Jahren sorgte er für Furore mit dem Oscar als bester Dokumentarfilm. Auch mich hat der Film elektrisiert. Die Bilder ließen mich nicht mehr los. Delfine die lächeln – noch im Sterben. Und im Tod. Denn sie können nicht anders. Ihre Gesichtsphysiognomie ist einfach so geformt.
Ich wusste, ich musste etwas tun. Das Leiden dieser hochsensiblen, sozialen Kreaturen ist nicht fern in Zeit und Distanz. Es geschieht in der Gegenwart. Eines der düstersten Kapitel: Die Delfinjagd in Taiji, einem Fischerdorf in Südjapan. Erst treiben die Jäger Delfine mit Booten in eine enge, versteckte Felsenbucht. Dann sondern sie die schönsten Tiere für die Delfinarien aus, bevor sie den Rest, die große Mehrheit, unter Zeltgespannen verborgen, für den Verzehr – abschlachten.
Delfinarien finanzieren Tötung
Heute ist Taiji der weltweit größte Exporteur von wild gefangenen Delfinen. In der letzten Jagdsaison wurden die unglaubliche Anzahl von 247 Delfine lebend für den Verkauf aussortiert und rund 900 Tiere abgeschlachtet. Die Saison, die von September bis März dauert, ist nun wieder im Gange.
Es ist ein äußerst lukratives Geschäft, welches die Delfinjagd erst lohnend macht. Bis zu 100.000 US-Dollar werden für einen einzelnen trainierten Delfin bezahlt. Mit anderen Worten: das Geld der Delfinarienindustrie treibt die tödliche Jagd und die Nachfrage nach neuen Wildfängen an. Daher kann es nur eine Konsequenz geben: Delfinarien meiden.
Bald hatte ich einiges Wissen angeeignet. Was hat die japanische Delfinjagd mit Europa zu tun? Viel! Auch in deutschen Delfinarien leiden die klugen, selbstbewussten Meeressäuger. Auch hier sollen die Goldesel der Meere nicht nur als Clowns, sondern sogar noch als Therapeuten (!) herhalten. Delfine aus Taiji, ihren hingeschlachteten Familien entrissen, gelangen auch nach Europa – in die Ukraine zum Beispiel. Oder in die Türkei, wo sich wiederum viele unwissende Touristen an den Meeressäugern ergötzen.
Der Ton macht die Musik
Bald organisierte ich Filmvorführungen des Films Die Bucht (Englisch: The Cove) an meinem Wohnort und vermittelte Dutzende DVDs zur Präsentation an Schulen in meiner Region. Die positive Resonanz war sehr ermutigend.
Dann meine erste Reise vor Ort. Nicht Japan zunächst, sondern die Färöer. Auch dort werden Delfine gejagt: das «Grindadráp». Vor unserer Haustür! Zwischen Schottland und Island liegt die kleine, dänisch verwaltete teilautonome Inselgruppe.
Es war ein Schlüsselerlebnis, das sich später in Japan noch einmal wiederholen sollte: die Einheimischen waren unglaublich freundlich und offen. Feindbilder fielen in sich zusammen. Da ist mir klar geworden: mit dem Finger zeigen bringt nichts. Ob auf den Färöern oder in Japan: die Lösung liegt in der Aufklärung und Kooperation statt Konfrontation.
Von innen verstehen
Wer als Tierschützer etwas erreichen will, muss zuerst seine eigenen Hausaufgaben gemacht haben. Haben wir das Recht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, symbolisch gesprochen «den ersten Stein zu werfen»? Ich lernte andere Aktivisten kennen – solche, die behutsamer vorgehen.
Wer will, dass sich die Jäger mit den Walen und Delfinen anfreunden, muss sich zunächst mit den Jägern anfreunden.
Dieser Schlüsselsatz, von einer befreundeten kanadischen Aktivistin, hat sich mir eingeprägt.
Bei einem Besuch in Japan im vergangenen Herbst haben sich die Erlebnisse von den Färöern wiederholt. Nichts entschuldigt die Delfinjagd. Aber ich lernte zwei neue, freundliche Kulturen kennen und viele neue Menschen, die ich schätzte. Wer etwas lösen will, muss es von innen heraus verstehen.
So wenig es mir vorstellbar bleibt, wie man einen Delfin töten oder in ein winziges Becken pferchen kann, so sehr habe ich sogar Leute, die diese Tiere töten, als Menschen schätzen gelernt. Heute kann ich mit ihnen über das umstrittene Thema reden: die Delfinjagd. Und sie hören zu.
Vor der eigenen Tür…
Meine wichtigste Erkenntnis aber: vor der eigenen Tür kehren! Vorbild werden! Ich kehrte nach Deutschland zurück. Da gibt es in der Tat genug zu tun… Der Meeresbiologe Dr. Karsten Brensing (WDC) spricht an, was für die Delfinhaltung weltweit und hierzulande gleichermaßen gilt:
Artgerechte Haltung von Walen und Delfinen ist nicht möglich. Dafür gibt es viele Gründe. Es ist praktisch nicht möglich, ein natürliches, soziales Gefüge zu erhalten. Die Tiere werden aus ihrem Verband herausgerissen und künstlich zusammengeführt. Die Gehege sind viel zu klein, um eine natürliche Gruppe zu erhalten, so dass junge Menschen separiert werden müssen. Sie werden ihres normalen Lebens beraubt. In der Gefangenschaft ist zudem die Jungtiersterblichkeit ein großes Problem und die Nachzucht nicht nachhaltig.
Immerhin gibt es in Deutschland nur noch zwei Delfinarien, Nürnberg und Duisburg. Eine gewisse Vorreiterrolle nimmt die Schweiz ein. Dort ist der Import von Delfinen seit 2012 verboten.
Besonders vorbildlich ist die Gesetzgebung in Indien. Im Mai 2013 hat die Regierung Delfinarien verboten. Es sei «unmoralisch», derart hoch entwickelte Tiere zur Unterhaltung von Menschen gefangen zu halten, lautet die Begründung. In Europa sind nebst der Schweiz diverse Länder Delfinarien-frei. So etwa England, Norwegen oder Kroatien.
Der «Blackfish-Effekt»
Seit der Veröffentlichung des Dokumentarfilms Blackfish im Juli 2013, wächst das Bewusstsein über die Grausamkeit der Gefangenhaltung von Orcas. Der Film zeigt, wie diese äußerst sozialen Delfine, die in Freiheit ein Leben lang mit ihren Familien zusammenbleiben, von ihnen entrissen wurden. Den Rest ihres Lebens müssen sie in Betonbecken zubringen, zur Unterhaltung und für Profit. So verwandeln sich Orcas buchstäblich in Killer-Wale.
Während bereits vier Menschen durch Orcas in Gefangenschaft getötet wurden, sind keine Fälle bekannt, wo Orcas im offenen Meer einen Menschen getötet hätten. Laut ehemaligen im Film zitierten SeaWorld-Trainern ist dies ein deutliches Zeichen für die durch Gefangenschaft verursachte Depression und Psychose.
Die Dokumentation, die in die Vorauswahl kam für einen Oscar, kommt zum Schluss, dass es eine grausame Misshandlung ist, diese hochintelligenten Tiere in eine solch enge Umgebung zu pferchen.
Durch das große Medieninteresse hat Blackfish auch die Aufmerksamkeit vieler prominenter Menschen erregt. Diese erheben jetzt ihre Stimmen und verlangen ein Ende der Delfinhaltung. Prominente Musiker, die für eine Reihe von SeaWorld-Konzerten Anfang dieses Jahr vorgesehen waren, haben ihre Auftritte abgesagt, nachdem sie den Film sahen. Es gibt auch große Hoffnungen für die jüngste Generation, wie Cash, ein fünf Jahre alter Tierliebhaber, beweist:
Das ist ermutigend, aber es muss mehr getan werden. Jeder Einzelne kann einen entscheidenden Unterschied machen. Es ist eine Frage der Ethik, des Gewissens und der Verantwortung, gegen das Leiden der Tiere für Unterhaltungszwecke aufzustehen. Deshalb: Tun Sie das Richtige. Egal wo in der Welt: Kaufen Sie keine Eintrittskarte für eine Delfinshow.