Was sind die Gründe dafür, dass Japan in diesem Sommer die “Internationale Wahlfangkommission” verlassen wird? Sind das verheerende Nachrichten für die Wale oder geben sie gar Anlass zur Hoffnung?
Als die japanische Regierung am 26. Dezember 2018 ihren Rückzug aus der Internationalen Wahlfangkommission (IWC) bestätigte, reagierte die Gemeinschaft der Walschützer geschockt. Japans Ankündigung, die kommerzielle Jagd ab Juli 2019 wieder aufzunehmen, lässt Umweltschützer befürchten, dass die Anzahl der gejagten Wale dramatisch ansteigen wird und andere Nationen Japans Beispiel folgen könnten.
Was hat Japan dazu veranlasst, die IWC nun zu verlassen, und welche Auswirkung könnte dies auf die Wale haben?
Japan und die IWC
Japan trat der IWC als Mitglied im Jahre 1951 bei. Die IWC ist ein internationales Gremium, das in den späten 1940ern gegründet wurde, um den Walfang besser zu kontrollieren. Nach dem IWC-Walfangverbot 1982 fuhr Japan mit der Jagd, unter dem Vorwand der “Forschung”, fort und nutzte dabei ein Schlupfloch in der IWC-Verordnung. Über 17.000 große Wale wurden seit der Wiederaufnahme des japanischen Walfangs im Jahr 1987 getötet; hauptsächlich in den antarktischen Gewässern, welche eine Schutzzone für die Wale beherbergen.
Gleichzeitig zu wachsender internationalen Kritik an dessen sog. “wissenschaftlichen Walfang”-Politik, weitete Japan seinen Einfluss aus, indem es erfolgreich neue Mitglieder für die IWC anwarb und regelrecht kaufte. Im Gegenzug zur wohlwollenden Stimmabgabe für Japan flossen reichlich “Entwicklungsgelder” für diverse Kleinstaaten durch die japanische Regierung. Dies erlaubte dem Land, schrittweise wieder auf die kommerzielle Jagd hinzuarbeiten.
Den letzten Vorstoß, den kommerziellen Walfang wieder zuzulassen, unternahmen die japanischen IWC-Delegierten am 18. September 2018 auf der 67. Konferenz der Parteien der IWC in Florianopolis, Brasilien. Unter dem Motto “A way forward”, gab es eine kontroverse Initiative, die mit 41 zu 27 Stimmen wuchtig verworfen wurde. Die Ablehnung überraschte die japanische Regierung wohl kaum. Vielmehr gab sie Japan endlich den Vorwand, die IWC zu verlassen, ohne das “Gesicht zu verlieren”, indem sie damit argumentierten, der Zweck einer Walfangkommission sei schließlich die Regulierung und nicht das Verbot.
Gut für die Wale, gut für die Wirtschaft?
Japan hat zudem bekannt gegeben, das sogenannte “wissenschaftliche Walfang – Programm” in den antarktischen Gewässern beenden zu wollen. Alleine in der Saison 2017/2018 hat dieses zu dem Tod von 333 Zwergwalen im südlichen Ozean geführt. Unter ihnen waren 122 trächtige Weibchen. Durch die Aufgabe der Jagd werden künftig hunderte Wale im südlichen Ozean Jahr für Jahr verschont bleiben können.
Diese guten Neuigkeiten für die Wale bedeuten auch eine Entlastung für Japans darbende Wirtschaft. Die Walfang-Expeditionen unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft kosteten den Steuerzahler nämlich jährlich rund 30 Millionen Dollar an Subventionszahlungen. Durch die Notwendigkeit, die alternden Walfang-Flotten zeitnah durch neuere, modernere Schiffe zu ersetzen, standen Japan zusätzliche Ausgaben von mehreren hundert Millionen Dollar bevor. All diese Ausgaben können nun eingespart werden; ebenso das finanzielle Kontingent für Entwicklungshilfe an die gekauften kleinen IWC-Mitgliedsländer.
Die Kritik an Japans Stimmenkauf innerhalb der IWC ist künftig hinlänglich. Streitigkeiten mit Australien und Neuseeland über Walfang in deren Nähe oder in international geschützen Meeresgebieten dürften ein Ende finden. Für die Japaner demütigende Situationen, wie beispielsweise die international im Fernsehen übertragene Serie Whale Wars oder auch der Entschluss des internationalen Gerichtshofs, der Japan für dessen “wissenschaftlichen Walfang” verurteilte, gehören nun ebenfalls der Vergangenheit an.
Warum haben sie nicht bereits 2014 aufgehört?
Japan erfüllte die Bedingungen des internationalen Gerichtshofs für nur eine Saison, um den Walfang in der Arktis 2016 dann erneut aufzunehmen. Sie hätten 2014 damit aufhören können, aber entschieden sich, es nicht zu tun. Doch einen Gesichtsverlust gilt es in der ostasiatischen Mentalität unbedingt zu vermeiden. In diesem Sinne war Japans Rückkehr zum antarktischen Walfang ein klares Signal, dass sich das Land der aufgehenden Sonne keinem internationalen Druck beugt, sondern souverän entscheidet.
Es gab auch die “Whale Wars” mit Sea Shepherd, einer internationalen Umweltorganisation, welche gegen die japanische Walfangflotte kämpfte. Ihre Anhänger folgten den Walfängern mit eigenen Schiffen, teilweise begleitet von gewaltsamen Zwischenfällen. Um das Gesicht zu wahren, würde Japan auch bestimmt nicht vor einer Gruppe in die Knie gehen, die sie also “Öko-Terroristen” bezeichnen.
Ist das Risiko für die Wale im Nordpazifik nun größer?
Japan hat nun angekündigt, den kommerziellen Walfang wieder aufzunehmen, allerdings nur innerhalb ihrer Wirtschaftszone von 200 Seemeilen (370 km). Das betreffende Gebiet, das grundsätzlich exklusiv für kommerzielle Aktivitäten der Japaner reserviert ist, macht den Umweltorganisationen Sorge. Sie sehen die Wale im Nordpazifik gefährdet. Im Vergleich zur Fläche des gesamten Nordpazifik ist dieses Meeresgebiet aber nicht allzu groß.
Japanische Walfänger jagen ohnehin bereits kommerziell in diesem Gebiet, sie bezeichnen es bloß nicht als “kommerziellen Walfang”, sondern verharmlosen es als “Subsistenz-Küstenwalfang”.
Was die Zukunft dem Walfang in japanischen Gewässern bringt, bleibt abzuwarten. Die Nachfrage an Walfleisch innerhalb Japans ist weiter rückläufig. Die Ashai Shimbun, eine der größten japanischen Zeitungen schreibt, dass “die Unternehmen der Fischereiindustrie wenig begeistert sind, angesichts anhaltender internationaler Kritik und mangelnder Nachfrage nach Walfleisch”. Gemäß Statistiken der Fischereibehörde lagern zurzeit mehr als 3.000 Tonnen gefrorenes Walfleisch in Japan. Dies entspricht ungefähr einem Jahresverbrauch. 1962 wurden noch über 230.000 Tonnen Walfleisch konsumiert, doch in den letzten Jahren schwankte der jährliche Verbrauch zwischen 3.000 und 5.000 Tonnen; also 1,5 bis 2 Prozent des Walfleischkonsums von 1962.
Raum für Hoffnung
Da es für Japan buchstäblich naheliegend ist, Wale in seinen eigenen Gewässern zu jagen, ohne die Aussicht auf internationale Streitigkeiten oder kostspielige Expeditionen in rauen, eisigen Gewässern 10.000 Meilen entfernt, wird nur noch vor der Haustür gejagt. Pragmatische Ökonomen, denen das Gesetz von Angebot und Nachfrage wichtiger ist als überholter Nationalstolz, wird es freuen.
Während ältere Generationen der Japaner vielleicht noch nostalgische Gründe haben um Walfleisch zu essen, machen sich jüngere Generationen schlicht nichts aus Walfleisch. Wenn es keine Nachfrage gibt, braucht es kein Angebot. Es ist also durchaus anzunehmen, dass der Walfang in naher Zukunft in Japan schrittweise zurückgehen könnte – und dies ohne dass das Land dabei nach außen “das Gesicht verliert”.
(Mitarbeit: Hans Peter Roth)