Von Leah Lemieux & Mineto Meguro
Gastautor Mineto Meguro repräsentiert die japanische Non-Profit-Organisation «Animal Liberator», eine der wenigen Gruppen in Japan, die sich mit der Walfangproblematik beschäftigen. Nachfolgend teilt er einige Gedanken und Erkenntnisse über die aktuellen Wal- und Delfinschutzaktivitäten in Japan.
Die ersten Walschutzaktivitäten in Japan begannen vor etwa 40 Jahren. Mit dem Film Die Bucht (The Cove) im Jahr 2009 wuchs das Interesse an der Delfinjagd in Taiji. Immer mehr Japanerinnen und Japaner wurden sich der Problematik der Delfin- und Waljagd bewusst. Seit 2016 gibt es eine wachsende Dynamik, insbesondere unter jenen Japanern, die sich mit Veganismus und Tierschutz auseinandersetzen. Sie nutzen die sozialen Netzwerke und haben erreicht, dass sich mehr und mehr Japaner an Wal- und Delfinschutzaktivitäten beteiligen.
Zuvor wurden Informationen aus Büchern, Abhandlungen, aus der Walfangindustrie und der Fischereibehörde gesammelt. Diese lieferten mehrheitlich genaue, aber einseitige Berichte. Heute werden die Informationen meist online gesammelt. Aber Vorsicht: Durch dieses “immer mehr“ und “immer schneller“ verbreiten sich auch Irrtümer und Fehlinformationen im Internet rasant. Dies kann die Arbeit gewissenhafter Aktivisten von Experten zunichtemachen.
Mineto ist überzeugt: Um die Probleme wirksam anzugehen, braucht es ein klares Verständnis des zugrundeliegenden sozialen Systems. Zur Verbesserung des Walschutzes in Japan ist umsichtiges Vorgehen unabdingbar.
Gleichzeitig lobbyiert die Walfangindustrie für ihre Interessen mithilfe professioneller Werbeagenturen. Diese betreiben systematische Propaganda. Sie schaffen Mythen rund um den Walfang. Zu deren Verbreitung in allen Schichten der Gesellschaft benutzen sie die Medien, Politik, Bürokratie, Wirtschaft, Wissenschaft und das Rechtssystem.
Es ist wichtig, die Informationsmanipulation und Zensur zugunsten des Walfangs im öffentlichen wie auch privaten Sektor zu verstehen. Denn gegen diesen Propagandakrieg um das öffentliche Bewusstsein kommt öffentliche Kritik gegen den Walfang fast nicht an.
Die jüngsten Fälle von Walbeifang zeigen aber, dass Interesse und Sympathie für die Meeressäuger in Japan wachsen. Dazu tragen die sozialen Medien bei. Bürger werden aktiv. Sie beschweren sich bei der nationalen und lokalen Fischereibehörde als auch bei der Lokalverwaltung über die Wal- und Delfinjagd. In der Google-Suche nach der Berichterstattung der Mainstream-Medien über den aktuellen Vorfall mit einem Zwergwal in Taiji, Japan, finden sich dagegen nur 2 oder 3 Treffer. Dennoch spürt die Walfangindustrie: Die Dinge ändern sich.
Emotional aufgeladene Aktionen haben den Vorteil, dass sie bestimmte Menschen fesseln und mobilisieren können, stellt Mineto fest. Allerdings haftet solchen Aktionen von Tierschützern oft auch eine Haltung von Selbstgerechtigkeit an. Eine solche schließt viele Menschen aus. Nämlich all jene, die nicht bereits eine ähnliche Einstellung haben, oder die nicht emotional mit den Themen verbunden sind.
Gleichzeitig nimmt die Walfangindustrie eine sehr selbstgerechte Haltung ein. Prallen zwei Ansätze aufeinander, sind Konflikte vorprogrammiert. Diese verlängern die Probleme und verzögern damit die Lösungsfindung. Auch wenn emotionale und aufrührerische Aktionen die Menschen bewegen, ist Mineto der Meinung, dass eine logische, ruhige und überzeugende Herangehensweise erforderlich ist. Nur so ist die Gesellschaft als Ganzes zu Veränderungen zu bewegen.
Japans aktuelle Generation von Walschutzaktivisten ist noch unerfahren. Die japanischen Aktivisten wissen, dass sie sich entwickeln müssen, um das Problem des Walfangs und der Delfinjagd zu lösen, sagt Mineto. Die aktuelle Situation muss aus der Vogelperspektive verstanden werden. Es müssen Informationen gesammelt und analysiert werden, auch über frühere Aktionen von in- und ausländischen Organisationen. Dies kann helfen, gezieltere Aktionen zu planen und durchzuführen. Langfristige Aktionen werden am effektivsten sein, wenn sie mit realistischen Zielen und der benötigten Zeit festgelegt werden. So wird die Bewegung von japanischen Bürgern profitieren, die dazu beitragen, die Gesellschaft auf logische, vernünftige und überzeugende Weise zu verändern.
Mineto repräsentiert jüngere Generationen: Menschen, die bereit sind, aus neuen Informationen zu lernen und ihr Verhalten anzupassen, um mitfühlendere und verantwortungsvollere Entscheidungen zu treffen. Sie stehen in krassem Gegensatz zu jenen, die sich an alte, brüchige Paradigmen klammern. Veganer/Vegetarier in Japan stehen für Wandel und Jugend – in vielerlei Hinsicht die Antithese zur Mentalität des “Altherrenclub“, der sich an den Walfang klammert. Dieser genießt das Privileg, Steuergeld-Millionen für fragwürdige Delikatessen zu verschwenden.
Walfang-Befürworter missbrauchen gerne Schlagworte wie “nachhaltig“ und “legal“. Ein Mitglied des wissenschaftlichen Komitees der Internationalen Walfangkommission bemerkte einmal: “Was in Norwegen und Japan als ‘Walforschung‘ durchgeht, ist in den Augen der übrigen wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht wirklich legitim.“ Werden Daten politisch benutzt, fallen wichtige Fakten und Zahlen rasch der Manipulation zum Opfer.
Derzeit beschäftigt die gesamte japanische Walfangindustrie schätzungsweise nur etwa 300 Menschen. Die japanischen Veganer sind also zweifellos in der Überzahl. Beide gehören auf ihre Weise zu Randgruppen. Doch der Veganismus gewinnt täglich an Zuspruch unter den Jungen, während die überalterte “Walfang-Generation“ auf kurz oder lang aussterben wird.
Einige japanische Experten raten dazu, die massiven Subventionen aus Steuergeldern, die der Walfang seit so vielen Jahren genießt, zu beenden. Walfleisch sollte den echten Marktkräften unterworfen werden. Die Nachfrage nach Walfleisch würde dadurch entweder stagnieren oder sinken. Die meisten Experten sind sich einig, dass die Industrie wahrscheinlich nicht lange überleben wird, schlicht, weil die Produktnachfrage zu gering ist.
Hinzu kommt, dass Wale und Delfine nicht einmal den elementarsten Schutz wie andere Wildtiere in Japan haben. Das liegt daran, dass die Wale und Delfine nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Umweltministeriums fallen, sondern nunmehr von der Fischereibehörde überwacht werden. In Japan sind Wale und Delfine nicht einmal offiziell als Wildtiere anerkannt, sondern sie werden zu bloßen “Meeresressourcen“ degradiert, die benutzt, missbraucht, konsumiert und weggeworfen werden können.
Hoffentlich kann diese Situation geändert werden, so dass Wale den grundlegenden Schutz erhalten, der allen anderen Wildtieren in Japan unter der Zuständigkeit des Umweltministeriums gewährt wird. Solche Änderungen stehen auf Mineto’s Agenda. Mehr über seine Arbeit erfahren Sie hier.
1 Comment
Sehr interessanter Bericht.
Leider generiert der Delfinfang Millionen an Geldern. Es ist einfach nur traurig und schockierend was jährlich während 6 Monaten in Taiji passiert.
Ich will nicht noch weitere Jahre diese Grausamkeiten der Japaner erleben müssen.