Färöer Inseln: Zwischen tödlicher Tradition und Aufbruch

Red sea after a pilot whale hunt on June 5, 2012 in the Bay of Sandur, Faroe Islands. Photo: Hans Peter Roth

Insgesamt 1.534 Grindwale und Delfine sind letztes Jahr auf den Färöer Inseln abgeschlachtet worden. Ein bitterer Rückschlag für die Wal- und Delfinschützer. Trotzdem gibt es Anlass zur Hoffnung.

Red sea after a pilot whale hunt on June 5, 2012 in the Bay of Sandur, Faroe Islands. Photo: Hans Peter Roth

Vergossenes Grindwal-Blut nach einer Treibjagd in der Bucht von Sandur auf den Färöer-Inseln. Foto: Hans Peter Roth

E s hatte für die Wal- und Delfinschützer so hoffnungsvoll begonnen, das Jahr 2013. Keine einzige Grindwaljagd bis Mitte Juli auf den nordischen Färöer Inseln. Am 21 Juli dann die erste Ernüchterung. 125 Grindwale wurden in die Bucht von Viðvík getrieben und abgeschlachtet. Danach schienen alle Dämme gebrochen. Mit 267 Tieren auf einen Schlag erfolgte am 30. Juli in Fuglafjørður auf dem abgelegenen Archipel zwischen Schottland und Island gleich die größte Massentötung von Grindwalen seit acht Jahren.

Dabei warnt Dr. Pál Weihe, Leiter der Abteilung für öffentliche Gesundheit auf den Färöern, schon seit den 80er Jahren vor dem Verzehr von Grindwal- und Delfinfleisch: zum Beispiel wegen stark erhöhter Quecksilberwerte und anderen Schadstoffen, mit verschiedensten gesundheitlichen Konsequenzen. Weihes Warnungen sind durch Studien belegt; und sie werden auf den Färöern gehört – zumindest teilweise. So verzichten heute junge färöische Frauen und schwangere Mütter weitgehend auf solches Fleisch und Kinder wissen oftmals gar nicht, wie es schmeckt.

Ein Unglückstag

Doch die Jagd, bei der gesichtete Grindwal-Schulen, die sich der färöischen Küste genug annähern, um in eine der 23 zugelassenen Buchten getrieben zu werden, scheint unvermindert anzudauern – zumindest vorderhand.

So wurde der 13.08.13 zum Unglückstag für die Grindwale und Delfine um die Färöer-Inseln. An jenem Tag mussten so viele der Meeressäuger sterben, wie seit 19 Jahren nicht mehr an einem Tag. Zuerst entdeckte ein Fischer nahe der Insel Sandoy eine stattliche Schule Grindwale – auch Pilotwale genannt. Die Inselbewohner riefen eine Treibjagd aus. 135 der bis zu sechs Meter langen Zahnwale, die zur Familie der Delfine gehören, lagen schließlich erlegt in einer kleinen Bucht beim Fischerdorf Húsavik.

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Erlegte Grindwale werden ins Wasser gezogen und dann zum nahen Hafen von Sandur geschleppt. Aufnahme nach einer Grindwaljagd vom 5. Juni 2012 in der Bucht von Sandur auf der färöischen Insel Sandoy. Foto: Hans Peter Roth

Am selben Vormittag entdeckten Fischer außerhalb der südlichsten Insel Suðuroy eine sehr große Schule von zunächst nicht identifizierten Meeressäugern. War es eine gemischte Gruppe von Delfinen und Grindwalen? Würde man die Grindwale von den Delfinen trennen können? Auch hier wurde ein «Grindadráp», eine Treibjagd ausgelöst. Bis zum Abend töteten Bewohner des Bezirks Hvalba und benachbarter Gemeinden 430 atlantische Weißseitendelfine – darunter kein einziger Grindwal. So mussten an jenem Tag 565 Kleinwale und Delfine ihr Leben lassen.

Warum so viele?

Außenstehende und insbesondere Tierschützer wundern sich, dass die Färinger auch heutzutage noch so viele Grindwale und Delfine töten. «Man muss sich schon fragen, was denn mit den gewaltigen Mengen an Wal- und Delfinfleisch geschieht,» ärgert sich auch eine färöische Gegnerin der Grindwaljagd, die anonym bleiben möchte: «Es ist ja angeblich ausschließlich zum Eigenverzehr gedacht.»

The scarlet stain of the pilot whales’ blood drifts with the tide. Picture was taken on June 5, 2012 in the Bay of Sandur. Photo: Hans Peter Roth

Rotes Meer in der Bucht bei Sandur nach einer Treibjagd. Foto: Hans Peter Roth

Einheimische, die das Grindadráp verteidigen, haben Erklärungen: Über Jahrhun­derte waren die Färöer ein isoliertes Inselreich mit einem zusammengeschweißten kleinen Vikinger-Volk, das unter harten klimatischen Bedingungen mit Zähigkeit und Beständigkeit die Unterdrückung durch verschiedene Großmächte erduldete, Hungersnöte und viele andere Entbehrungen überstand. So gesehen ist es sehr beeindruckend, dass die einzigartige färöische Kultur bis zum heutigen Tag überdauert hat. Dazu gehört auch die Grindwaljagd.

Bis ins 19. Jahrhundert konnte die Sichtung von Grindwalen darüber entscheiden, ob ganze Dörfer satt oder hungrig durch den Winter kamen. In kleinen hölzernen Ruderbooten stellten die Männer den Walen nach und versuch­ten, sie in eine Bucht zu treiben. Schafften sie es, einzelne Tiere zu töten, bestand die Chance, die gesamte Walschule zu erlegen; denn Grindwale haben einen extremen Zusammenhalt und eilen sich gegenseitig zu Hilfe.

Das Verhängnis

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Tötungslanze: Sie soll das Rückenmark und die Hauptader zum Gehirn durchtrennen und angeblich innerhalb von Sekunden zum Tod führen. Foto: Abdolmajid

Dieses soziale Verhalten wird den Meeressäugern auch heute zum Verhängnis. Allerdings ist der Kampf im Gegensatz zu früher völlig ungleich und hat mit der alten Tradition des Grindwalfangs nicht mehr viel gemein, wenn Einheimische mit PS-star­ken Yachten, Schnellbooten und Jetskis den Grindwalen nachstellen.

Zwar haben die Walfänger Methoden entwickelt, wie sie ihre Beute mittels einer Art Lanze rasch töten können, indem sie ihnen gleichzeitig das Genick und die Hauptschlagader durchtrennen – wenn sie denn richtig treffen. So oder so aber ist die erschöpfende Hetze über bis zu zehn Seemeilen und die anschließende syste­matische Tötung im blutigen Wasser für diese intelligenten, hochsensiblen Tiere mit Selbstbewusstsein eine unvorstellbar grausame Tortur.

Daran ändern auch die Beteuerungen der Jäger nichts, die behaupten, die Treibjag­den seien human, die Tötung schnell und die Wale hätten bis zu ihrem Ende im Gegensatz zu eingesperrten Zuchttieren für die Fleischindustrie ein schönes Leben in Freiheit verbracht,

findet ein Färinger, der sich aktiv gegen das Grindadráp engagiert, ebenfalls anonym.

Hoffnung

«Für viele Menschen außerhalb der Färöer müssen Bilder der Wal-Abschlachtungen in völligem Kontrast stehen zum Ruf der Inseln für ihre Naturschönheit und Rein­heit,» vermutet der färöische Jagd-Kritiker: «Zweifellos überschattet das Grindadráp das Image, das wir so gerne präsentieren. Nicht jede Tradition ist es wert, beibehalten zu werden.»

Tatsächlich sind die Färöer-Inseln ein Reich der Kontraste. Zu den Naturschönheiten kommen äußerst gastfreundliche, offene und gesellige Menschen, die man ins Herz schließt. Es ist schwierig, die Färöer und ihre Bewohner nicht zu mögen. Und genau hierin liegt die Chance und Hoffnung für die Zukunft: in der diskreten Unterstützung von färöischen Gegnern der Grindwaljagd, im Dialog mit den Grindwalfängern und mit dem Aufbau von Walbeobachtung (Wale Watching) oder Ökotourismus.

Diese Zukunft ist angebrochen. Ganz aktuell befragte die färöische Pharmazeutin Jónrit Halling 200 erwachsene Färinger nach ihrem Essverhalten. Nur 17 Prozent gaben an, Grindwalprodukte mehr als einmal im Monat zu konsumieren. Fast die Hälfte – 47 Prozent – gab an, kaum oder gar kein Walfleisch zu essen. Keine einzige Frau unter 40 Jahren gab an, häufig Fleisch und Speck der Grindwale zu essen.

Die dänische Umweltjournalistin Helene Hesselager-O’Barry, die zu diesem Thema einen aktuellen Bericht übersetzt hat, folgert abschließend:

Es scheint ganz so, dass das Grindwalfleisch, einst als gesundes Nahrungsmittel eingeschätzt, heute bereits einen derart schlechten Ruf hat, dass es in absehbarer Zukunft aus den Töpfen der Färinger verschwindet.

Sasha Abdolmajid and Faroese environmentalist, Rúni Nielsen, in the stunning surroundings of the Koltur in the Faroe Islands. Photo: HP Roth

Sasha Abdolmajid und der färöischen Umweltschützer, Rúni Nielsen, in der reizvollen Umgebung von Koltur auf den Färöer-Inseln. Foto: Hans Peter Roth

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